Was erwartet Ihr von einem perfekten Skigebiet?
Die Anforderungen sind vermutlich sehr unterschiedlich oder zumindest die Prioritäten. Als Naturliebhaber, möchtet ihr eine beeindruckende Landschaft, als ambitionierter Skifahrer abwechslungsreiche und lange Abfahren, als Genussmensch eine ausgezeichnete Gastronomie und als Deutsch sprechende Menschen möchtet ihr eventuell auch am Urlaubsort in eurer Muttersprache verstanden werden. Ich würde jetzt als Österreicher gerne sagen, na dann kommt zu uns, da werden alle Glücklich, weil in Österreichs Skigebieten ist alles super! Haha 🙂
Lasst uns lieber Carezza testen, denn mir ist vom Fertigfraß auf vielen Hütten hier schon übel. Schneekanonen gibt es in Südtirol auch, also ab zum Skigebiete Test in die Dolomiten!
Es war Anfang Dezember 2015. Ein absolut mieser Winterbeginn plagte damals wie auch den Winter zuvor, oder auch heuer, die Bergbahnbetriebe. Wir erinnern uns an Skandale mit Hubschraubern die Schnee im laufenden Skibetrieb anlieferten und an den Schilderwald an Verbotstafeln, die alles auf den verbliebenen schmalen Pistenbändern untersagten, was nicht mit abwärts Skifahren zu tun hatte.
Ich wollte schon fast die Skiausrüstung daheim lassen und das MTB einpacken (wie man sieht, wäre auch das noch gut gegangen). Wir waren jedoch am Weg zum wohl besten Schneemacher der Alpen und uns erwartete Kunstschnee, wie wir ihn zuvor noch nicht erlebt hatten! In Südtirol staubt es selbst bei + 10° C.
Zuerst ging es mal durch die deutsche Grenzkontrolle – ja, die haben uns tatsächlich rüber gelassen – auf deutscher Premium-Autobahn Richtung Tirol und über den Brenner. Die erste echte Herausforderung kam in Bozen – klar, wir nahmen nicht ganz die direkte Strecke zur Anreise (nehmt die SS241 und nicht wie wir, die LS132). Google hatte offensichtlich kein Erbarmen mit uns beiden rotzfrechen Österreichern. Egal, auf den Bergstraßen Südtirols fühlten wir uns wie daheim und genossen die engen Kurven, die steilen Abgründe und die kleinen Bergdörfer. Als Kaiserin Sissi vor mehr als hundert Jahren am Karerpass Urlaub machte, gab es schließlich auch noch keine ausgebaute Schnellstraße. Damals zog das neu eröffnete Grand Hotel die Prominenz an.
Das Skigebiet wurde 1950 eröffnet und gilt als eines der ersten Skigebiete in den Alpen. Die ersten Jahre waren glorreich, bis dann in den 90ern die Sache nicht mehr ganz so Rund lief. Soweit also nichts ungewöhnliches. Auch bei uns erging es so manch Skigebiet ähnlich. Erst mit Investitionen war wieder was zu reißen! Da kam 2008 Georg Eisath ins Spiel. Der einstige Mitgründer von TechnoAlpin AG, des weltweit größten Schneekanonenerzeugers, hatte seine eigenen Vorstellungen von einem erfolgreichen Skigebiet. Das Skigebiet wurde, wie nicht anders zu erwarten, mit jeder Menge Beschneiungstechnik ausgestattet, modernisiert und erweitert. Doch Georg Eisath ist kein typischer „Liftler“, der wenn er mehr Winter möchte, einfach mit mehr Kanonen schießt, koste es was wolle. Nein, in Carezza hat man durchwegs das Gefühl, dass man möglichst behutsam mit den Ressourcen umgeht. Der Speicherteich soll einer der umweltfreundlichsten in den Alpen sein. Auch die Beschneiungsmenge ist durch ein ausgeklügeltes Höhenmessungssystem und einer jahrelangen, statistischen Auswetung extrem optimiert. Auch ist mir weder bei der Anfahrt, noch direkt im Skigebiet kein einziger Strommast aufgefallen! Da gibt es ganz anders grausliche Ecken in den Österreichischen Alpen, wo die 380 KV Leitungen das Landschaftsbild versauen, wohin das Auge reicht!
Die Frage stellt sich eher, was kann der Schnee in Carezza besser, als bei uns in der Heimat? Unsere Pressegruppe wurde selbstverständlich vom Chef durchs Skigebiet begleitet. Der natürlich ein exzellenter Skifahrer ist, nur sein Sohn, Florian Eisath soll noch besser, schon fast so gut wie wir Österreicher fahren ;-).
Somit ließen wir es ordentlich krachen. Das ging auf den perfekten Pisten, wie nirgends anderswo, bei plus 10° Außentemperatur. Ja, die Südtiroler mischen da bestimmt was in den Schnee rein, damit er bei den warmen Temperaturen immer noch so staubt, dachte ich mir. Die Schneequalität war gelinde gesagt irre geil, was mir keine Ruhe ließ und der Chef musste bei nächster Gelegenheit Rede und Antwort stehen.
Wir machen Schnee wie alle anderen auch. Aus reinem Wasser. Doch auf die Einstellung kommt es an.
Und dann war Georg Eisath voll in seinem Element. Ich sag euch, ich könnte jetzt besser Schnee machen, als alle Österreichischen Schneemacher zusammen (Scherz)! Aber ich fasse euch mal in ein paar Zeilen zusammen, auf was es ankommt. Temperatur muss niedrig sein, und je trockener die Luft, umso besser. Und jetzt kommt der Unterschied zu so vielen Gebieten. Es wird bei der ersten Kälte nicht gleich aus allen Düsen geschossen, nein! Behutsam werden nur einige der vielen Düsen einer Kanone aufgedreht, damit der Schnee richtig trocken wird. Damit dauert nicht nur die Beschneiung länger, der Schnee ist danach praktisch nicht präparierbar. Das macht aber nichts, denn die Raupenfahrer wissen das und warten geduldig bis zu einer Woche, um ihn erst dann auf der Piste zu verteilen. Das Ergebnis ist eine Piste, die unglaublich robust gegen hohe Außentemperaturen ist, die bekanntlich zumindest phasenweise jeden Winter kommen.
Anders gesagt, solltet ihr mal unter einer Schneekanone mit euren Skiern kleben bleiben, könnt ihr den Beschneier ruhigen Gewissens einen „Vollpfosten“ schimpfen und euch von ihm ein Bier ausgeben lassen!
Wer gerne Ski fährt, mag auch Berge. Diese sind aber keine von Menschen geschaffenen Bauwerke, sondern natürlichen Ursprungs. Auch die Pisten folgen in Carezza nur den natürlichen Gegebenheiten, die diese wunderbare Landschaft vorgibt. Die Gipfel sind schroff und charakteristisch, darunter werden sie in sanfter Almlandschaft eingebettet. Dieser Kontrast ist sehr reizvoll anzusehen und typisch für Südtirol. Und obwohl Carezza kein Skigebiet mit mehreren hundert Kilometern Piste ist, bietet es viel Abwechslung und Weitläufigkeit. Es sollte also neben dem landschaftlichen Hochgenuss auch von der Pistenvielfalt für jeden etwas dabei sein! Auch die Liftanlagen sind durchwegs modern. Dennoch werden Nostalgiker ein, zwei Schlepper finden – die stören aber nicht.
Was habe ich auf Skihütten schon Fraß serviert bekommen! Im besten Fall kommt das Essen fertig, tiefgefroren und portioniert von einer Fabrik. Mag sein, dass wir Pressefuzzis in Carezza schon eine ganz besondere Auswahl an Gaststätten präsentiert bekamen, aber in den drei Tagen haben wir keine einzige Portion Pommes gesehen oder Frittenfett auch nur gerochen! Kulinarisch gesehen, sollte man dort unbedingt mal ein paar Tage verbringen und die regionale Küche genießen. Egal was ihr sonst so dort macht. Als wir z.B. auf der Messnerjoch Hütte saßen, aßen dort Skifahrer, Wanderer und Mountainbiker. Einen Besuch auf der Tscheiner Hütte solltet ihr ebenfalls einplanen. Auch dort, sensationell!
Passend zur Adventszeit, besuchten wir natürlich den Adventmarkt am Karersee – den man zu dieser Zeit keinesfalls auslassen sollte. Eine spannende Geschichte – die Sage vom Karersee – gab es noch obendrauf! Lässt sich aber auch googeln, falls ihr die Kräfte für den nächsten Skitag sparen wollt. Kommen wir lieber zum Fazit!
Das Skigebiet Carezza legt die Messlatte unter den Skigebieten extrem hoch. Die Qualität des technischen Schnees ist überwältigend, kombiniert mit modernen Liftanlagen und abwechslungsreichen Piste, ein Hochgenuss für Skifahrer jeder Könnensstufe. Mehrere Skischulen sorgen auch dafür, dass der Nachwuchs Spaß am Skifahren erlernt. Die von uns besuchten Gaststätten und Hotels schafften es ebenfalls, unseren Österreichischen Gaumen derart zu verwöhnen, dass uns unsere heimischen Skihütten mittlerweile fürchten! Zu den Genüssen passt auch die Landschaft, die behutsam behandelt, von nur sehr dezenter Infrastruktur gestört wird. Hochspannungstrassen sucht man vergeblich und auch die Pisten folgen der Landschaft. Die Geländestrukturen machen meist Spaß und wurden bewusst nicht angepasst. Bravo! Freilich hängen ein paar Abschnitte, aber die baut man einfach in seine Spurwahl ein. Leicht störend fand ich nur ein paar Verbidnungsstrecken, die sehr flach ausfallen. Aber bei einem weitläufigen Skigebiet muss man das in Kauf nehmen. Am Ende kann man Georg Eisath nur gratulieren und gespannt sein, was er als nächstes in die Hand nimmt!
Link: http://www.carezza.it/